WETTBEWERB SOZIAL- UND GESUNDHEITSZENTRUM "VIVAVINZ"
Auslober: Gemeinde Inzing
Standort: Inzing / Tirol
Nutzung: Pflegeeinrichtung
Projektdauer: September - November 2023
Grundstück: ca. 4.500 m²
NF: ca. 3.430 m²
PLANUNGSTEAM
Architektur: DI Karin Demarki / Thomas Leist
Modellbau: Steck Modellarchitektur, Innsbruck
KONZEPT - ENTWURFSPARAMETER
Demografische Veränderung und das Älterwerden bringt eine differenzierte Betrachtung der Lebensphase des Alters. Der Alterungsprozess verläuft sehr individuell und auch die körperliche, soziale und seelisch-geistige Dimension des eigenen Alterns wird subjektiv wahrgenommen. Körperliche und geistige Einschränkungen müssen kompensiert werden. Die Grundbedürfnisse nach Geborgenheit einerseits wie auch nach Autonomie und Freiheit andererseits bleiben. Dementsprechend ist die Schaffung individueller Teilhabe- und Partizipationsmöglichkeiten das zentrale Thema des Entwurfs. Das Gebäude selbst bietet Schutz und steht in Bezug zur Natur, im Inneren erleichtert ein fließender Übergang zwischen gemeinschaftlichen, halbprivaten und privaten Bereichen vielfältige Interaktionsmöglichkeiten.
ERSCHLIESSUNG
Im Osten am Kalkofenweg liegt die Eingangsebene. Ein Gehsteig und ein Parkstreifen für 20 Stellplätze mit einer Baumreihe sind dem eingeschossigen Gebäude ostseitig vorgelagert. Ein kleiner Vorplatz mit Sitzmöblierung und Wasserfläche kennzeichnet den Haupteingang zum Pflegeheim. Im Anschluss daran befinden sich die Eingänge zu den Arzt- und Physiotherapie-Praxen. Im Nordosten taucht die Einfahrt in die Tiefgarage ab. Die Zufahrt für die An-/Ablieferung und die Müllentsorgung befinden sich ebenfalls am Nordrand des Gebäudes. Weitere sechs KFZ-Abstellplätze sind im Süden des Grundstücks am Jörg-Kölderer-Weg situiert. Diese sind überdacht und für die Mitarbeiter der Mobilen Dienste vorgesehen, deren Räumlichkeiten im Südwesten in einem eigenständigen Gebäudeteil Platz finden.
Analogien zu Stadtraum im Wohnraum: Leucht- und Aussichtstürme, die Wohngruppe wird zum Stadtviertel oder Dorf, das Zimmer wird zu Haus.
Das Erdgeschoss als öffentlicher Raum
Im Inneren des Pflegeheims steuert man vom Windfang aus auf den Empfang der Verwaltung zu, deren Büroräume sich im Anschluss daran im Nordosten befinden. Nach ein paar Schritten erreicht man den öffentlichen Teil des Pflegeheims. Die Hauptzone nimmt das Café mit zuschaltbarem Bereich ein. Große, durch bodentiefe Fenster und offene Bereiche fließt der Raum über die geschützte Terrasse in den Garten.
Er ist nach Südwesten ausgerichtet und bildet einen wesentlichen Aufenthaltsbereich der Bewohner, Besucher und Betreuer. Die eingeschossige Holzfassade im Osten und Süden und Bepflanzungen im Westen fassen den Garten ein. Rankpflanzen bilden Sichtschutz für die Arztpraxen und sind gleichzeitig Duftgarten für die Bewohner. Orte mit Wiedererkennungswert, sogenannte Leuchttürme, erleichtern die Orientierung. Es wird eine auffällige rote Leuchte und die schattige Bank mit Ausblick auf den Hühnerstall zum Treffpunkt. Der Tisch unter der Hopfenbuche zur Insel, wo man gern eine Jause isst oder mit anderen spielt.
Hinter Stiegenhaus und Lift liegen die funktionalen Räume wie Küche und Wäscherei sowie die Personalräume mit eigenem Außenbereich.
Die Zimmer“einheiten“ werden durch kleine Öffnungen mit Balkonen unterbrochen. In der Südwestecke befindet sich der Wohnbereich mit einer Anrichteküche, Tischen und einladendem Balkon.
Zimmer - Privatsphäre
Funktional ausgestattet bieten die Zimmer den Bewohnern „heimelige“ Atmosphäre durch warme Materialien wie helle duftende Holzwände in Weißtanne, Linoleumböden und Textilien sowie durch die Möglichkeit, eigene Möbelstücke mitzubringen. Tageslicht strömt durch die großen Fenster ins Zimmer und durch das Oberlicht bis ins Bad. Durch Leuchtdichteunterschiede wird die gewünschte „Helligkeitskaskade“ erreicht: Der Boden als dunkelste Fläche vermittelt Sicherheit und Standfestigkeit, die Decke als hellste Fläche macht den Raum optisch höher, sorgt für hohe Lichtreflexion, verteilt Licht effizient im Raum. Wände im warmen Farbton der Weißtanne haben ausreichend Leuchtdichtekontrast zu Boden und Decke. Im Bad heben sich weiße Sanitärgegenstände kontrastierend vor farbigen Wänden und Boden ab.
STÄDTEBAULICHES KONZEPT
Das Areal liegt sehr schön gelegen, am westlichen Ortsrand von Inzing, wo Spazierwege zur Bewegung in der Natur einladen. Der Fußweg ins Zentrum ist in ca. 10 Minuten, zum bestehenden Vivavinz-Heim in ca. 6 Minuten möglich. Die westlich angrenzenden Grundstücke sind weitgehend unbebaut, die östlichen weisen Wohnbebauungen unterschiedlicher Körnung auf. Die bestehende Struktur verlangt nach einer abschließenden Geste, die durch den langen eingeschossigen Riegel gegeben ist. Das bestehende Straßennetz führt auf diesen zu.
Der Baukörper „spiegelt“ sich in seiner Höhenstaffelung in der gegenüberliegenden Wohnbebauung. Der Abschluss bietet auch Schutz für den dahinter in einer offenen Hofsituation angeordneten Garten der Bewohner. Zurückversetzt liegen die beiden Obergeschosse der Wohngruppen. Sie überragen die höchsten Punkte der Nachbargebäude nur geringfügig und bilden einen kompakten Baukörper, der sich in alle Himmelsrichtungen öffnet und Aussichten in die angrenzende Landschaft und Bergwelt bietet. Der geschützte Garten öffnet sich nach Westen und wird durch die niedere Umbauung den ganzen Tag lichtdurchflutet.
Fassaden
Die Fassade des EG ist mit einer vertikalen Holzlattung gestaltet, um das taktile Erleben zu fördern und eine natürliche Verbindung zur Umgebung herzustellen.
In den Obergeschossen bildet die reflektierende Oberfläche der Dämmpaneele die Fassade und trägt gleichzeitig zur Auflösung des Volumens bei, indem sich die Umgebung und die Lichtstimmung spiegelt. Es sind die Zimmer“einheiten“ außen ablesbar und durch deutliche Fugen (Balkone) geteilt.
Konzeption der Wohngeschosse als „Dörfer“ – halböffentlicher Raum
Die beiden Wohngruppen werden als eigenständige, sehr kompakte Einheiten von 17 Zimmern in den beiden Obergeschossen angeordnet. Der Kern nimmt den Pflegebereich sowie die vertikale Erschließung auf. Zwei nebeneinanderliegende Stiegenhäuser ermöglichen die Entfluchtung und machen gleichzeitig eine großzügige zentrale Belichtung durch ein Glasdach möglich. Außerdem lassen sich durch horizontales und vertikales Durchkreuzen der Treppenhäuser die Wege der Betreuer abkürzen. Es entsteht ein kompaktes Gebäude mit Durchsicht.
Um den Kern herum windet sich ein Rundgang, der auch als Aufenthaltsraum für verschiedene Nutzungen dient. Vor den Zimmern entstehen durch die Möblierung Nischen mit Sitzmöglichkeiten, wo sich die Bewohner in kleinen Gruppen treffen, unterhalten oder spielen können. Die räumliche Zonierung außerhalb der Zimmer bleibt offen für verschiedene Nutzungen und kann gleichzeitig das Gefühl von Sicherheit und Selbstbestimmtheit vermitteln. Wie im Garten sind auch hier wiedererkennbare Ankerpunkte wichtig, die die Wahlmöglichkeiten für Aufenthalte definieren:
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Nische mit Ausblick vom Balkon in die Umgebung
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Bank beim Esstisch
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Sitzgruppe in Aufweitungen vom Gang
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Sofa TV
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Tisch für Spiele
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Heller Fensterplatz mit Aussicht auf den Kirchturm